Rezensionen Schwaebisches Tagblatt 03/1986


heute 54jaehrige. So entstehen seine Werke aus dem Augenblick heraus: "Ich koennte niemals ein Gedicht im Nachhinein schreiben." Doch wer die Stimmung nicht selbst erlebt habe, "hat Probleme, zu verstehen", gibt er zu, daher versuche er etwa bei Lesungen, die Gedichte in einen kommentierenden Rahmen zu stellen. "Wortplastik" nennt er sein Lyrik-Ideal, bei dem alles Unnoetige wegfaellt: "Ich merke bei mir selbst den Weg in die Verdichtung hinein."
Die Begegnung mit dem Judentum und dem Holocaust, der "Shoah", sind ebenso
wie die Kritik am Christentum Stroemungen, die er in seinen Gedichten immer wieder aufgreift. Mehr noch beruehre ihn jedoch die Landschaft Israels, die sehr stark von der christlichen Botschaft spreche: "Gottesverstaendnis wird fuer mich in der Wueste geboren."
"Alles ballt sich in Israel, alle Fragestellungen schlagen sich dort nieder, Kaempfe, Verwerfungen, Religiositaet", meint er und fuegt hinzu, daß es nicht einfach sei, in diesen Konflikten Stellung zu beziehen, auch wenn gerade dies von einem gefordert werde: "Man muß sich der Zerissenheit und Spannung aussetzen." Der Alt-68er, der auch noch Ivrid, also Neuhebraeisch, lernen will, ist selbst mit zwei juedischen Dichtern befreundet. Seine Erfahrungen aus dem Land zwischen Rotem und Totem Meer fließen auch in die Gemeindearbeit ein, etwa in den Gemeindeseminaren: "Ich moechte uns staerker mit unserer Geschichte verknuepfen".
Zwei seiner Zyklen, "Sinai" und "Wie ein Gleichnis ist die Wueste", sind vorletzten Herbst entstanden, als er mit Beduinen durch die Wueste wandern konnte. Beeindruckt von der tiefen Spiritualitaet des nomadischen Volkes schreibt er: "Das Kostbarste / was er hat / nimmt der Beduine / vor dem Gebet / um sich die Fueße zu waschen."


"Ein Stueckchen tiefer in das Land eindringen", glaubt Helmut Zwanger, Pfarrer der Martinsgemeinde in Tuebingen, koennen die Leser seines Lyrik-Bandes "Israel, o Israel". Fuenf Zyklen ueber das faszinierende "heilige Land", in dem sich die "alten Fragen in modernen politischen Konflikten spiegeln", sind darin veroeffentlicht. Dabei war das Land an der Ostkueste des Mittelmeeres noch in seinem Theologie-Studium in Heidelberg und Tuebingen "kein direktes Thema". Auch spaeter, als er Assistent an der Universitaet war, wurde das Judentum von der Theologie "nicht als lebendige Groeße" begriffen.
1980 fuhr Zwanger nach Israel, auf dieser Reise entstand auch der Gedichtzyklus. "Shalom Israel" war meine Form der Verdichtung", erinnert er sich. Das Land laeßt ihn fortan nicht mehr los, insgesamt fuenf Mal war er nun schon dort, und jedesmal bringt er einen Stapel Gedichte mit nach Hause. Sein letzter Besuch dauert vier Monate, das jedem Pfarrer einmal waehrend der Dienstzeit zustehende "Kontaktsemester" bietet ihm dazu die Moeglichkeit. "Ueber einen Traum" sei er darauf gekommen, dieses Semester in Israel zu verbringen. Er habe bei katholischen Benediktinermoenchen in Jerusalem gewohnt, wegen des Friedensschlusses mit Jordanien im Herbst `94 eine "sehr spannende Zeit".
"Die Inspiration kommt fuer mich aus dem Land, den Begegnungen und Erfahrungen", erzaehlt der
Erhaeltlich bei Karin Fischer Verlag in Aachen
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